Rechtsanwalt Jochmann Berlin

Verdachtskündigung

Was ist eine Verdachtskündigung?

Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Kündigung damit begründet, dass der Verdacht eines zwar nicht erwiesenen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitsnehmers das Vertrauen zerstört hat, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.

Für eine Verdachtskündigung kommt es also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich begangen hat. Allein ein solcher Verdacht kann unter bestimmten Voraussetzungen zur Kündigung berechtigen. Die Tatkündigung (die Tat kann bewiesen werden) und die Verdachtskündigung (der Verdacht besteht) sind zwei eigenständige Kündigungsgründe.

Welche Voraussetzungen hat eine Verdachtskündigung?

Eine Verdachtskündigung ist wegen der Unschuldsvermutung nur unter erhöhten Voraussetzungen zulässig:

  • Verdacht einer Straftat oder anderen erheblichen Pflichtverletzung, der objektiv durch konkrete Tatsachen begründet ist – eine reine Vermutung reicht nicht aus
  • dringender Verdacht, d. h. dieser muss mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen
  • gewisse Schwere: Verdacht muss das Vertrauen des Arbeitgebers zerstören und das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen
  • Nachforschungen des Arbeitgebers bzgl. möglicher Beweise aufgrund seiner Fürsorgepflicht: alle zumutbaren Anstrengungen
  • Anhörung des Arbeitnehmers, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben
  • Anhörung des Betriebsrates

Besteht eine Frist für die Verdachtskündigung?

Der Arbeitgeber muss die Verdachtskündigung nach § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von dem dringenden Verdacht aussprechen. Bestehen zunächst nur Anhaltspunkte, kann der Arbeitgeber erst einmal Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Ohne eine umfassende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken. Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, kann sich der Arbeitgeber für das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts am Fortgang des Strafverfahrens orientieren. Eine Verdachtskündigung kann jedoch nicht allein auf Erkenntnisse oder Maßnahmen der Staatsanwaltschaft oder Entscheidungen eines Ermittlungsrichters wie eine Anklageerhebung oder den Erlass eines Haftbefehls gestützt werden. Solche Umstände können die Annahme des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe die Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen, verstärken. Sie bilden für sich genommen aber keine objektive Tatsache, die den dringenden Verdacht eines bestimmten strafbaren Verhaltens begründen könnte.

Welche Voraussetzungen muss die Anhörung erfüllen?

Die Anhörung muss sich auf einen für den Arbeitnehmer greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit erhalten, zu bestimmten zeitlich und räumlich eingegrenzten Tatsachen Stellung zu nehmen. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Belehrung weiß, welche Vorwürfe er entkräften muss. Ob dieses Erfordernis erfüllt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls – insbesondere der Komplexität des Sachverhalts – ab. Allerdings ist eine Information über die Verdachtsgründe im Rahmen der Anhörung unnötig, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht gewillt ist, sich zu den Vorwürfen einzulassen und an der Aufklärung mitzuwirken, ohne relevante Gründe hierfür zu nennen.

Welche Auswirkungen hat ein Freispruch im Strafverfahren auf die Kündigung?

Nach dem Bundes Arbeitsgericht (BAG) müssen Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und zum Zeitpunkt der Verdachtskündigung bereits vorgelegen haben, immer berücksichtigt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber diese entlastenden Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung kannte oder kennen konnte. Wenn also im Laufe des arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens Tatsachen bekannt werden, die den Arbeitnehmer entlasten, müssen diese bei der Bewertung der Kündigung vom Arbeitsgericht berücksichtigt werden. Allerdings hängt die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht von der strafrechtlichen Bewertung des Sachverhalts ab, sondern von der Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses durch den Verdacht. Nach dem BAG sind die Arbeitsgerichte nicht an einen Freispruch im Strafverfahren gebunden. Das Arbeitsgericht muss für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung alle relevanten Umstände selbst würdigen. Gleichwohl kann ein Freispruch entlastend gewertet werden. Dabei reicht es aus, wenn Tatsachen festgestellt worden sind, die den Verdacht zumindest wesentlich abschwächen.

Besteht ein Wiedereinstellungsanspruch?

Bei ungerechtfertigter Verdachtskündigung kann ein Wiedereinstellungsanspruch bestehen,  wenn sich später definitiv die Unschuld des Arbeitnehmers herausstellt oder nachträglich Umstände bekannt werden, die den bestehenden Verdacht vollkommen beseitigen.

Ein Wiedereinstellungsanspruch hängt also im Wesentlichen davon ab, ob:

  • der Verdacht letztlich im Raum stehen bleibt à dann keine Wiedereinstellung
  • definitiv ausgeräumt werden kann à dann Wiedereinstellung

Die Einstellung des Strafverfahrens oder ein Freispruch reicht hierfür nicht automatisch aus, da das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dennoch erschüttert sein kann. Durch einen Freispruch „nur“ aus Mangel an Beweisen wird weder der Verdacht beseitigt noch die Unschuld bewiesen.

Besteht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers?

Ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber kommt insbesondere aus §§ 282, 241 Abs.1 BGB wegen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflichten in Betracht. Maßgeblich ist, ob:

  • zum Zeitpunkt der Kündigung die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorlagen oder der Arbeitgeber pflichtwidrig handelte, indem er diese vorsätzlich oder fahrlässig unzutreffend annahm oder die notwenigen Ermittlungen unterließ
  • Achtung: der Arbeitgeber muss bei der Verdachtskündigung unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungen eine eigene Prognose stellen – ein Freispruch begründet daher nicht automatisch einen Schadensersatzanspruch

Wie kann ich mich gegen eine Verdachtskündigung wehren?

Sie können als Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine Verdachtskündigung vorgehen. Mit Unterstützung eines Anwalts können Sie mögliche Fehler des Arbeitsgebers bei Ausspruch der Kündigung nachweisen und gegebenenfalls eine Weiterbeschäftigung oder Schadensersatz durchsetzen. Auch schon vor Ausspruch der Verdachtskündigung kann es – z. B. zur Vorbereitung auf die Anhörung – sinnvoll sein einen Anwalt zu kontaktieren.

Wenn das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber durch eine grundlose Verdächtigung beeinträchtigt ist, kann der Anwalt gegebenenfalls zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber vermitteln und eine Abfindung erreichen. In diesem Fall beenden beide Parteien das Arbeitsverhältnis gegen eine angemessene Entschädigung einvernehmlich.

Ein Anwalt prüft den Tatvorwurf und die Voraussetzungen der Kündigung und kann je nach Einzelfall beurteilen, welches Vorgehen geeignet ist. Geht es um den Vorwurf einer Straftat kann ein Anwalt für Sie zudem Akteneinsicht im Strafverfahren beantragen und Ihre Verteidigung vor Gericht übernehmen.