Rechtsanwalt Jochmann Berlin

Erkennungsdienstliche Behandlung: Wie kann ich mich wehren?

Eine erkennungsdienstliche Behandlung kann langwierige Konsequenzen nach sich ziehen. Sollten Sie eine entsprechende Ladung erhalten haben, ist es daher wichtig zu wissen, was auf Sie zukommt, welche Rechte Sie haben und worauf Sie besonders achten sollten.

Was ist eine erkennungsdienstliche Behandlung?

Eine erkennungsdienstliche Behandlung gem. § 81b StPO ist die Erfassung von personenbezogenen und biometrischen Daten einer Person durch die Polizei . Die Ladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung benennt zumeist die Maßnahmen, die durchgeführt werden sollen. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind z.B.:

  • Feststellung von Name, Wohnort, Alter bzw. Geburtsdatum
  • Anfertigung von Fotos
  • Messung von Größe und Gewicht
  • Abnahme von Fingerabdrücken
  • Erfassung von besonderen körperlichen Merkmalen wie Narben, Muttermalen, Tätowierungen

Muss ich bei der ED-Maßnahme mitwirken?

Damit Ihre Rechte vor Ort bestmöglich gewahrt werden, ist es ratsam einen Verteidiger mit zum Ladungstermin zu nehmen. Auf der Polizeiwache gilt:

  • Sie sind verpflichtet, die Maßnahmen wie z.B. die Abnahme von Fingerabdrücken passiv zu dulden, die Maßnahme kann also gegen Ihren Willen durchgeführt werden.
  • Es besteht keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung, geben Sie daher keine Schrift- oder Sprechproben ab und lassen sie sich nicht in Gespräche verwickeln.

Voraussetzungen für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung

Eine erkennungsdienstliche Behandlung kann in zwei verschiedenen Fällen angeordnet werden:

Eine erkennungsdienstliche Behandlung zur Durchführung eines Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO) dient der Aufklärung einer aktuellen Ermittlung. Wurden am Tatort z.B. Fingerabdrücke gefunden, soll aufgeklärt werden, von wem diese stammen. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass der Adressat der Maßnahme die sogenannte Beschuldigteneigenschaft besitzt:

  • Es muss ein konkreter Verdacht bestehen, dass Sie an einer Straftat beteiligt sind.
  • Hierfür bedarf es tatsächlicher Anhaltspunkte, vage Vermutungen reichen nicht aus.

Eine erkennungsdienstliche Behandlung zum Zweck des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO) verfolgt hingegen eine präventive Zielsetzung. Durch die Speicherung erhobener Daten soll ermöglicht werden, künftige Straftaten zu verhindern bzw. aufzuklären. Wird eine Straftat begangen, kann hinsichtlich gefundener Spuren (z.B. Fingerabdrücke) ein Datenabgleich durchgeführt und die Täterermittlung erleichtert werden. Voraussetzung für eine Anordnung ist:

  • Die Gefahr, dass Sie weitere Straftaten begehen (Wiederholungsgefahr);
  • Die Speicherung Ihrer persönlichen Merkmale muss zum Zweck möglicher künftiger Tataufklärungen geeignet und erforderlich sein;
  • Sie müssen rechtliches Gehör erhalten, d.h. die Möglichkeit sich zu äußern.

Im Rahmen dieser Prognose sind unter anderem folgende Kriterien relevant:

  • Art und Schwere der Tat;
  • Konkrete Begehungsweise (bspw. besondere Brutalität);
  • Persönlichkeit und sonstige Eigenschaften des Täters (wie bspw. eine erhöhte Gewaltbereitschaft und Alkohol- oder Drogeneinfluss).

Darf die Polizei mich komplett erkennungsdienstlich behandeln?

Nein, Sie dürfen nur insoweit erkennungsdienstlich behandelt werden, wie es im konkreten Fall erforderlich ist. Wenn etwa nur Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden und daher als Vergleichsspur vorliegen, darf auch nur die Abnahme von Fingerabdrücken angeordnet werden. Demgegenüber dürfen Fotos angefertigt werden, wenn ein Zeuge den Täter gesehen hat und diesen daher wiedererkennen kann.

Was geschieht mit meinen Daten nach der erkennungsdienstlichen Behandlung?

Bei einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zur Durchführung eines Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO) dürfen Ihre Daten nur zur Aufklärung der konkreten Tat verwendet werden. Sobald die Daten zur Aufklärung der Straftat nicht mehr benötigt werden, müssen sie gelöscht werden.
Demgegenüber können im Fall einer erkennungsdienstlichen Maßnahme zum Zweck des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO) Ihre höchstpersönlichen Daten bei der Polizei auf unbestimmte Zeit gespeichert werden. In der Folge bedeutet dies, dass Ihre persönlichen körperlichen Merkmale wie Fotos oder Fingerabdrücke in der Zukunft für die Aufklärung von Straftaten zum Datenabgleich zur Verfügung stehen. Es handelt sich also um einen massiven Eingriff in Ihre Grundrechte.

Muss ich der Ladung Folge leisten?

Kontaktieren Sie so früh wie möglich einen Anwalt, um überprüfen zu lassen, ob Sie der Ladung Folge leisten müssen. Grundsätzlich gilt:

  • Eine Ladung durch die Staatsanwaltschaft ist verpflichtend. Wenn Sie der Ladung nicht Folge leisten, besteht daher die Gefahr, dass sie polizeilich vorgeführt werden, d.h. dass Polizeibeamte Sie zu Hause aufsuchen und zur Polizeiwache bringen.
  • Bei einer Ladung durch die Polizei, besteht keine Verpflichtung dieser Folge zu leisten.

Was kann ich tun, wenn ich eine Vorladung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erhalte?

Bei Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung sollten Sie schnellstmöglich einen Rechtsanwalt kontaktieren. Dies gilt insbesondere, weil ihre Daten unter Umständen jahrelang gespeichert werden. Erfahrungsgemäß erfolgt die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht selten zu Unrecht. Ist die angeordnete Maßnahme nicht rechtmäßig, bestehen verschiedene Möglichkeiten, gegen diese vorzugehen.

Rechtsmittel gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen

Ihre rechtlichen Möglichkeiten hängen davon ab, aus welchem Grund und von wem die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wurde.
Bei einer Maßnahme zur Durchführung des Strafverfahrens (§ 81b Alt. 1 StPO) bestehen folgende Rechtsschutzmöglichkeiten:

  • Bei einer Anordnung durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft kann eine richterliche Entscheidung eingeholt werden (§ 98 Abs. 2 S. 2 StPO).
  • Bei einer gerichtlichen Anordnung kann diese mit einer Beschwerde angefochten werden (§ 304 StPO).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass Sie trotz Beschreitung des Rechtsweges notfalls zwangsweise von der Polizei abgeholt werden können. Erfahrungsgemäß wird die Polizei die Maßnahme jedoch solange zurückhalten, bis das Gericht entschieden hat. Ein Strafverteidiger nimmt in der Regel direkt Kontakt mit Gericht und Polizei auf, um dies abzuklären.

Gegen die Anordnung bzw. die Aufbewahrung Ihrer Daten zum Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b Alt. 2 StPO) bietet der Verwaltungsrechtsweg folgende Möglichkeiten:

  • Zunächst können Sie Widerspruch einlegen (Achtung: in manchen Bundesländern ist das Widerspruchsverfahren abgeschafft worden).
  • Ansonsten müssen Sie eine Anfechtungsklage erheben.
  • Bei besonderer Eilbedürftigkeit muss vorläufiger Rechtsschutz beantragt werden.

Dieses Vorgehen hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, sodass Sie nicht zwangsweise abgeholt werden dürfen. Etwas anderes gilt, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Dann müssen Sie einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen, um die Durchführung der Maßnahme zu verhindern.

Ein weiterer Vorteil bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen besteht darin, dass hierdurch zumeist eine schnellere Akteneinsicht erlangt wird. Die Einsicht der Akten ermöglicht eine bessere Einschätzung der Sachlage und ein effektiveres Vorgehen zum Schutz Ihrer Rechte.

Löschung der Daten beantragen

Ja, Sie können die Löschung Ihrer Daten beantragen. Sie haben sogar einen Anspruch auf die Löschung, wenn die Speicherung unzulässig war oder nicht mehr erforderlich ist.
Die Speicherung ist insbesondere nicht mehr erforderlich, wenn das Strafverfahren erledigt ist, weil es bspw. eingestellt wurde. Kommt jedoch eine Wiederaufnahme der Verfolgung in Betracht, besteht ein Anspruch auf Löschung erst sobald Verjährung eintritt.
Um zu klären, ob im Einzelfall ein Anspruch auf Löschung besteht, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen.